Bruno Pellandini

Gedanken zum Werk von Johannes Heuer

 

Was dem Werk von Johannes Heuer über Jahrzehnte eine bestechende Kontinuität verleiht, ist diese charakteristische Handschrift, der eine große Leichtigkeit und Eleganz eigen ist und sich durch ein breites Oeuvre zieht, das neben Zeichnungen, Photographien, Malerei und Objekten auch Installationen, ja sogar angewandte Kunst umfasst (Mistkübel, Leuchten, Haken), dieses unverkennbare Merkmal ist Ausdruck einer Haltung, die nach größtmöglicher Reduktion strebt, so dass selbst raumgreifenden Skulpturen oder den großformatigen Tafelbildern etwas vom Wesen einer Zeichnung, einer Skizze, innewohnt, was darin begründet liegen mag, dass Heuers künstlerisches Schaffen seinen Ausgang vom graphischen Handwerk genommen hat, wenn auch bereits die frühen als „Journale“ und „Feuilletons“ betitelten Werke aus den 1980er Jahren (wo etwa in Magazinen beworbene Massenprodukte durch unterschiedliche Techniken individualisiert und als objets de désir angeeignet werden) das Zweidimensionale hinter sich lassen und durch Übermalung, Ausschneiden und Intarsieren schichtweise ins Räumliche hineinwachsen. Dennoch bleibt die Zeichnung, die Grafik ein fester Bestandteil von Heuers Werk, exemplarisch die mit geschlossenen Augen aus feuchtem Lehm geformten Kleinkörper, die eine wunderbare Metamorphose erleben, nämlich eine Rückführung ins Zweidimensionale, indem Heuer sie fotografiert und sie uns dann auf Tafelbildern gewissermaßen als Archivmaterial präsentiert, als wären es von der Linse erhaschte Meteoriten oder zufällig entdeckte Fossilien. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang auch, dass ein Objekt wie die „Innere Unruhe“ (Beton, Eisen, 2018) zeitgleich wie die „Rocaillen“ entstanden ist, einer Serie von gerahmten kleinformatigen Werken, die wie zarte Papierarbeiten wirken, tatsächlich jedoch einen plastischen Aufbau besitzen (mit Rosshaar und Ritzungen bearbeiteter Gipsguss).

Dass man Heuers Arbeiten den aufwändigen Entstehungsprozess nicht ansieht, die unzähligen Arbeitsgänge (und Umwege und Fehlschläge), auch dies macht ihre besondere Qualität aus: alles wirkt leicht und mühelos, wie das Resultat eines spielerischen Vorgangs. Manche Arbeiten entstehen tatsächlich aus dem Experiment heraus, und es liegt ein kindlich-rebellischer Gestus in der Umsetzung solcher Einfälle wie „nehmen wir eine Handtasche, füllen sie mit flüssigem Beton und sehen, was wird, wenn wir sie schälen.“ Dieses Und-sehen-was-wird ist charakteristisch für Johannes Heuers Herangehensweise, in der selten die Umsetzung einer konkreten Idee im Vordergrund steht (wie dies etwa bei den „Rekonstrukten“ der Fall ist).
Charakteristisch auch die Beschränkung der Farbpalette (Schwarz, Weiß, Grautöne: Schattierungen möchte man sagen), eine gewisse Fragilität der gewählten Materialien (Gips, Wachs, Wellpappe, Sperrholz etc.), arbeitsintensive, jedoch einfache Techniken (Ausschneiden, Bleichen, Ölen, Wachsen, Brennen). Aber selbst wo Heuer schwerere Geschütze auffährt (Beton und Metall) bleibt er zurückhaltend, schreit nicht nach Aufmerksamkeit, was gerade bei den verzweifelt agierenden „Unruhen“ ins Auge fällt, die – einmal angestoßen – so zwanghaft wie ziellos vor sich hinarbeiten und dabei eine gewisse Komik erzeugen, die uns nur deshalb nicht zum Lachen bringt, weil sie dem Betrachter, der Betrachterin auf eine verletzliche und schamlose Art ihr fortwährendes Scheitern darbieten und wir sie sofort in unser Herz schließen. Vielleicht weil wir uns ihnen spiegeln, in ihnen unsere eigenen Bemühungen erkennen, unser lächerliches Tun, unser eigenes Scheitern.

Die „Unruhen“ könnte man auch als Passstücke einer Fortschritts- und Wachstumsneurose sehen und damit als Echo auf eine von Heuers ungewöhnlichsten (und zugleich politischsten) Arbeiten, der 2012 entstandenen, 2017 in Buchform erschienenen Serie „Economic Life“, wo er sich der Götter des deutschen Wirtschaftswunders annimmt, deren Porträts er durch Auslöschung allen Blendwerks (der begleitenden Lobhudelei, der Posen und Inszenierungen) mit Hilfe von Lösungsmitteln, Chemikalien und Schwärzungen in abstoßende Fratzen verwandelt und damit Abgründe freilegt, die großes Unbehagen auslösen. Eine sehr gewagte Arbeit, mit großer Akkuratesse ausgeführt und – typisch Heuerisch – kommentarlos präsentiert.

Bruno Pellandini  Jänner 2023

Bodo Hell

machen vieles selbst

 

lassen gleichzeitig außer Haus arbeiten, verarbeiten, was sich anbietet, geben Farben Raum, steigt da nicht eine braune indifferente Gestalt, Mann trotz Röckchen, aufs Tänzerpodest, farbige Lackblasen platzen auf Blechpapier, oder platzen nicht, bleiben erhalten, wir arbeiten hart daran, selbst nicht in den Vordergrund zu treten, sagen zuweilen etwas, beteiligen uns umso aufmerksamer an dem, was es zu sagen gibt, mithören, lauthören oder mitschneiden: alles kein Problem, wir nehmen ausrangiertes technisches Gerät in Dienst, in der lichtarmen Jahreszeit sind die Baumaschinen schon ab sechs Uhr morgens in Betrieb, Abriß, Abbruch, Aushub, JEANS OHNE RUHE: da steckt ein Eigenname drin, blue stonewashed, black moonwashed, Genuß ohne Reue, ungewöhnlicher Beschrieb, KorrAsion als Windschliff auf Gesteinen, Oxidation und Rost, auch im KFZ-Bereich ist beides schon miteinkalkuliert, in bestimmten Fällen von Anfang an hintangehalten, unter KorrOsion versteht man allgemein die durch chemische Einwirkung hervorgerufene Veränderung fester Körper an deren Oberfläche, aber auch Zerstörung von lebenden Geweben, korrumpiert: verderbt, Folienverpackung Fremdgriffel Farbfusion, Veränderung infolge Einwirkung von Sonnenlicht, Substanzverlust durch Austrocknen, mittlerweile ließen sich bereits Gegenstände bis zu 3 Metern Länge vakuumverpacken, der Mut, den eigenen Bedingungen zu folgen, erzeugt oft Schrullen, sofort kommen bestimmte Ausdrucksarten und Vorlieben zutage, der Einzelgänger stempelt zuerst wie wild ins fremde Stempelkissen und dann nocheinmal ins eigene Tourenbuch, der Mann muß einen zwingenden Grund dafür gehabt haben, daß er in diese Region hinaufgestiegen ist, hier sehen Sie die Flamme der Kreativität, wir verzichten ganz darauf, Bilder von Bestand zu produzieren, für die nachkommenden Generationen, in Hunderten von Edelstahltonnen lagert im Oberrieder Stollen, einer zum Atombunker umgebauten Silbermine nahe Freiburg im Breisgau, das gesamte kulturelle Erbe der Nation, dauerklimatisiert, gleich vorweg – auch wir werden es nicht allen rechtmachen, sind die Elemente andersherum plaziert, ist die Betrachterin, sind die Betrachter desorientiert, Bewegung bleibt das Einzige, was den Schrecken erträglich macht, isometrische Übungen, Reiben, Kratzen, Schlagen, Kleingymnastik, Berührungsflächen schaffen, die Vertrauen machen, Schläge, Tritte und Sprünge gelten nicht nur im Showgeschäft als als stereotype Elemente des narzißtischen Phantasmas, Selbstentblößung wirkt in jedem Fall als unmittelbarer Tabubruch, das Auge verschlingt alles und macht keinen Unterschied zwischen Bild und Schrift, neben Hellkiesel behaupten Koralle und Pink-Töne ihr selbstbewußtes Eigenleben, Amalgam ist Lückenfüller, Dissonanz als Einübung für feine Ohren, eine schmale Stimme allein vermag der Welt den Boden zu entziehen, Schattenmusik, in eindringlicher Monotonie werden verdrängte Alltagsgespenster mitbeschworen, Tempo 30: das Abrollgeräusch nimmt entsprechend der verminderten Geschwindigkeit ab, wir brauchen eine neue Einstellung zur Zeit, wie denn nicht: jede individuelle Aktivität greift mehr oder weniger auf Vorarbeiten anderer zurück, an die täglichen Dauergeräusche haben wir uns mittlerweile so gut wie möglich gewöhnt, können aber akustische PrivatRäume, mobile Geräuschzellen zum Ausgleich/zur zeitweiligen Abschirmung benützen, so etwas teilt sich dann mehr oder minder direkt der unvorbereiteten Umgebung mit, woher tönt die Begeisterung, vierter Wagen von rechts, vor der Ampelkreuzung, man kann den schnittigen Herren dort in der dröhnenden Limousine sitzen hören, noch ein rotierender Individualist, ich bin überzeugt davon, daß sich alles um mich dreht, geräuschvolles Losfahren, Profilstollenabrieb, wir kennen und praktizieren verschiedene Formen von Seelenmassage, der Bearbeitungsvorgang kann so lang dauern, bis die letzten Zweifel beseitigt sind, durch die Verlässlichkeit von Wiederholungen gewinnen wir an Realität, bis neuerliche Zweifel aufsteigen, bis der überbeanspruchte Motor der Schleifmaschine seinen Geist aufgibt, in der Seele, auf dem Baugelände, auf dem Eisenblech bleiben diese oder jene Spuren zurück, immateriell, blankgeschliffen, schwarz auf weiß oder schön bunt, Information versus Unterhaltung, kein Abschied von der gedruckten Wahrheit, von der nicht zu unterschätzenden täglichen Überprüfung der Wirklichkeit mittels Zeitung, zeitloser Kompressor, wie in Kindertagen Scheidemünze auf die Schiene gelegt, plattgewälzt, im Eichbaum raschelt’s Winterlaub, der Bauer stellt sich gar nicht taub, der Teufel hofft auf Seelenraub, Dezibel-Limits überschritten, der vom zuständigen Ministerium vorgelegte Entwurf einer durch den nach Schweizer Vorbild eingeführten Austrotakt notwendiggewordenen SchienenVerkehrsLärmVerordnung stößt bei den lokalen Umweltschutzreferenten auf heftige Kritik, es ist schwierig, den Menschen zu vermitteln, daß sie ihre Lebensgewohnheiten ändern müssen, wir verheddern uns in Worten, die nicht immer unsere eigenen sind, Augenschmaus: Maledivenschönheit, Bustier mit Carmenausschnitt, straporello, MamboPants, Jet Lag, doch die Reisebüros jubeln, bis auf Restplätze sind sowohl Ferndestinationen als auch heimische Urlaubsorte eben nahezu ausgebucht, vom Kaiserstuhl, vom Pfänder, vom Pilatus zum Zuckerhut, ein Gegenstand kann sowohl in wörtlicher als auch in seiner symbolischen Bedeutung auftreten und sich in dieser Doppelrolle gleichsam selbst begegnen, Monitor meint Schaukasten, was das betrachtende Subjekt erlebt, entspricht seiner eigenen Innenwelt, die üblichen Vorstellungen von einem Lateinamerika als hektisch geräuschvoll überschäumendem Bereich sollten wir, wie es heißt, zumindest im Fall von Mexiko korrigieren, wo noch Reste einer indianischen Tradition der Stille spürbar sind, es dominiert im Bild die Helligkeitsgestalt, durch die Entwicklung des Großhirns ist unser Drittes Auge dann erloschen, bestimmte Tiere, Gefährten aus Urzeittagen, ragen mit ihrem Fühlen noch in diesen magischen Bezirk hinein, in die Räume dieser ehemaligen Renovierungsfirma für Altbauwohnungen ist inzwischen ein Bahaj-Zentrum eingezogen, unmittelbar daneben wird ein weiteres Verkehrsopfer abgesetzt, Lebensrettung Sonntag nachmittag, in den Grünanlagen vor der Nationalbank, auf der anderen Straßenseite hinter dicken Mauern dieser Ort des Grauens, Tötung tarnt sich tatsächlich legitim, mehr denn je spüren wir wieder und wieder im Vorbeigehen am Grauen Haus das Wehen eines Ungeists, eines ganz bestimmten Ungeists, Schüsse auf die Beine wurden nicht trainiert, der irritierte Passant kann nur mit Mühe zum anderen Gehsteig überwechseln, über die Stuttgarter Schwellen hinweg, ist schon so manch Unaufmerksamer gestolpert, was man alles nicht mehr hört und doch noch hört, was an Unerhörtem hinzugekommen ist, zum klassischen Sirenengeheul, geflügelte Hades- oder Himmelsschwestern, vor einem Haufen bleichenden Gebeins, ihr Gesang preist dem Vorbeifahrenden die Wonnen der Vergangenheit, verspricht den Blick auf kommendes Geschehen, so laßt mich los hier will ich weilen, das kann nur dein Verderben sein, ist so eine Gegenüberstellung richtig: hie handlungsfordernde Lebenswelt, hie Entlastungswelt mittels Kunst, uns interessiert, was Sie anspricht, sirrender Nadeldruckerausdruck, Helikopterknattern, Reinigungslärm, Lüftung Klima Heizung, Bohr- und Sägegeräusche von Reparaturarbeiten, Rasenmähen, morgens abends: zweimal/täglich in den Metropolen diese Glocke aus Verkehrsgrundgeräusch, von den Stadtbergen aus, von der Straßenabseite her gehört, was sich winters umso deutlicher auf Häuser, Höfe, Parkanlagen legt, ungebremst durch die kahlen Bäume dringt, wir Citybegeisterten wollen so etwas gar nicht erst gesagt bekommen, das hieße dann nämlich, aber momentan, Moment, Memento: darunter versteht man erstens zwei bestimmte Gebete im Meßkanon, zweitens ein Erinnerungsstück (Andenken, Memorial, Reliquie) an Personen und Ereignisse, drittens eine Mahnung oder Warnung, wie man sich zu verhalten hat, auch im Hinblick auf künftige Ereignisse, jedes Knochenobjekt, jedes Kunststück, auch so ein Blechbild (arma Christi flach am bäuerlichen Kreuzweg, arma dämonis dahinter unsichtbar) kann solch heikle Rolle übernehmen, im Innern eines Spiralnebels, den die Maschine in den Metallgrund eingeschliffen hat, taucht sehr vage ein Menschenantlitz auf, aus der Weichteilrekonstruktion des Gesichts zum vorhandenen Schädel lassen sich Ähnlichkeiten mit zeitgenössischen Portraits herauslesen, ungewisser Mozartkopf, jetzt will man mich fallenlassen, bitte um Verständnis: dem Drang nach Denkmalsturz ist Zur Zeit schwer zu widerstehen, Tamerlan wurde mit Moschus und Rosenwasser einbalsamiert, Lenin soll vorerst zwischengelagert werden, jeder mag sich selbst die ihm entsprechende Verbindung, den ihn treffenden Erinnerungsanstoß herausholen, die 3 blankgewetzten Kugeln als Kennzeichen für ein Pfandleihhaus, da wird der eine an die Westbahnstraße, der andere an einen Mord bei Dostojewski denken können, altägyptische Ammon-Steinbüste soeben in London für umgerechnet 11,4 Mio. öS versteigert, Künstler und Käufer bleiben anonym, uns schmeckt nicht jedes Zuckerl, wir sind wählerisch, jedesmal von neuem überrascht, was herauskommt, wie gesagt: auch wir lassen arbeiten, wir lassen auch arbeiten, einerseits schafft die Natur, andererseits erzeugt die Apparatur die individuellsten Gestalten, weg vom genialen Pinselstrich, weg von der präzisen Radiernadelspur, in vieldeutiger Umgebung fällt ein eindeutiges Objekt gleich mächtig auf, mit seinem festgelegten Umriß, die Froschkröte, der Krötenfrosch, da mag er noch so aus der Form geraten sein, plattgewalzt, in Folie eingeschweißt, auf Pappteller, Luftzieher unverzüglich auspacken, das ist kein Bissen für meine Wiener, wo immer man hineinfaßt, man faßt daneben, Sie machen sich’s gar zu einfach, die virtuelle Welt mag falsch sein, doch die empfundenen Gefühle sind sehr wohl echt, nachempfindbar, glutluftveredelt, manch einer hegt Erwartungen, die nicht erfüllt werden können, kahl sind jetzt die Wälder, Büsche Stoppelfelder, Zuchtperlen/Kulturperlen/Süßwasserperlen, am Wühltisch macht sich mittlerweile Nervosität breit, so kann man es sagen, kann man es so sagen: die Frau als Opfer haitischer, der Mann als Opfer optischer Attacken, Lederbänder, Nappapaspeln, Knebelknöpfe, ein Mann wird doch wohl den Anblick einer Frau im Minirock noch ohne durchzudrehen ertragen können, es kommt ja nur ausnahmsweise einer direkt von Hoher See zurück, von der Anthropologie ist der Mensch oft ein tropisches Tier genannt worden, und in der Tat: er scheint für warme Zonen wie gemacht, amerikanische Studentin lebt sich sogut es geht in ein Rudel von Anubispavianen ein, dieser in mancher Hinsicht als Menschenmodelle geltenden Primaten, vielerlei feine Vorlieben und Abneigungen werden auch heute noch weitervererbt, die Träume beginnen jenseits der Trendgrenze, die Realität zeigt ihre aktivsten Seiten in Winterweiß und Kairobunt, in Lackschwarz und Softpastell, nicht Aggression führt zum Ziel, sondern eine ganz bestimmte Form zurückhaltender sozialer Anbiederung, am erfolgreichsten sind darin überraschenderweise die rangniedrigsten Männchen, die schon eine Zeit lang in der Gruppe leben, sie bekommen den Löwenanteil von allem ab, das möchte ich zum Anlaß nehmen, ein vorläufiges Resümee zu ziehen: man erhofft sich etwas, man bekommt irgendetwas und freut sich auch über etwas, Geben ist ebenso peinlich wie Verweigern, verhärtete Ablehnung, dialektischer Umschlag von Demut in Frechheit, ihr buddhistischer Name bedeutet übersetzt: die für andere Menschen stets gütige Frau, jeder Bettler muß die 50 Zentimeter Abstand überwinden, die alle in aller Öffentlichkeit voreinander einhalten, was unweigerlich folgt: Indigniertsein über Distanzverletzung, Angst vor Folgekosten, dieser Schar von nicht mehr abzuschüttelnden Kindern, manchmal auch ein dumpfes Bewusstsein der unsererseits unrechtmäßigen Aneignung, das passiert mit vielen westeuropäischen Menschen, die, weil sie fernsehen, sich und ihre möblierten Paradiese für unzerstörbar halten, nicht das ursprüngliche Selbst wird auf den Markt geworfen, sondern ein kosmetisches Selbst, man erwartet ekstatische Bewegungen, zu denen uns der innere Anlaß fehlt, blauäugig Blütenblau, Augentrost, frisch gepflückt und in hohen Dosen genossen, kann unter bestimmten Umständen hellsichtig machen, Blau hat nachgewiesenermaßen einen unmittelbar hemmenden Einfluß auf den Adrenalinausstoß, damit lästige Insekten abgehalten und in der Folge mögliche Verkehrsunfälle vermieden werden, steckt man den Fiakerpferden rote Stoffspitzen über die Ohren, unser Körper ist jetzt die Leinwand, es handelt sich dabei um sogenannte sperrige Information, die sich nicht in digitalisierter Form transportieren läßt, Wehklagen und Arienfetzen holen mirnichtsdirnichts die große Weite der Steppe in den Innenraum herein, Mensch, zu welchem Topos willst du hin, die Hochlandsavanne Ostafrikas soll es sein, die sich in den Paradiesesphantasien auch heute noch nachspielet, Herdgöttin oder Herrgott, Gegenständen mit glänzender Oberfläche kommt allgemein ein hoher Aufmerksamkeitswert zu, wo wird die Goldschlägerhaut traditionellerweise aus dem Blinddarm von Rindern angefertigt, für Kulturankündigungen sind ausschließlich unsere historischen Litfaßsäulen vorgesehen, schon manch eine Veranstaltung läuft jetzt auch bei uns im amerikanischen Stil mit Live-Musik und Tonbandapplaus ab, welchen Geltungsraum dürfen die Ausstellungsstücke an einem solchen Ort überhaupt beanspruchen, der Betrachter wird unspektakuläre Werke vorfinden, die zwar Bilder, zugleich auch keine Bilder sind.

Bodo Hell  1992

Ananas Peach

Heart of Darkness

 

“Seeing comes before words. The child looks and recognizes before it can speak.
But there is also another sense in which seeing comes before words.
It is seeing which establishes our place in the surrounding world;…”

JOHN BERGER: Ways of Seeing, London: British Broadcasting Corporation, 1972

 

This is not an interpretation but rather an attempt to look at the way an object of art comes into existence. This attempt tries to look on the one hand at the working process and on the other hand at the endproduct. It is a trial to look at the object merely through the eye and should result in a vision of the eye.
The sheet-iron works are in a proportion of 2:3, a classical size of book folios. In terms of size there is no estrangement to the viewer, but rather a “déja vu”. This is not the case with the vehicle Johannes Heuer uses, for it is neither canvas nor paper but sheets of metal. The latter is in his structure very similar to paper, much more than for example canvas which is less homogeneous because of his weaving structure. But neither canvas nor paper are able to carry the load of traces like burns or scratches.
Every trace on the sheet is made in the way that there is no sign of the one who laid hand on it. Johannes is keen on hiding his handwriting and yet this is not possible. The works appear as if they had not been hand/man-made, as if they were objets trouvées, marked by many years of beeing. (Johannes often makes use of the alienation effect. Every work has the element of coincidence in it that is found by chance: vacuums, photos and iron sheets). But only when one keeps on looking at the work thoroughly one realizes that the signs of use were deliberately made. There is no logic in the way in terms of usage. The process of the decreation can be guided as the artist wishes – it can be directed voluntarily. The proceeding varies from sheet to sheet, eclipsing erosion, colouring, scratches and burns. Liquid elements are either poured, rolled or dripped before or after the process (on the sheets) goes on.
Because of the hardness of the vehicle, the working process is slow. The transmitters have to work for a long time in order to leave traces. Because of the different materials and the fluids used in the production, the speed of the machines changes unpredictably. The working period cannot be designed and yet one gets the feeling for it when looking at the products. The process gets materialized and so takes up its part in the expression. Signs of use can be pushed to the utmost till the user has eaten himself up.
With this equilibrium of taking away and adding to the surface, one goes deeper into the heart of the material. How far can metal be strained and still not be demolished’?
Johannes way of working is quite aggressive, but this is not obvious in the works. They are soft in visual appearance but aggressive in texture.

Ananas Peach  November 1991